Die Götter verlassen das Bergische Land
Diesbezüglich, hoffentlich mehr erläuternd als verwirrend, ein kleiner Text, welcher als Bestandteil einer Ausschreibung (3 Bilder, nicht angenommen) zu formulieren war :
Kommentar zu den Bildern für die Ausstellung : Orte, Mythen, Menschen.
In lieber Gewohnheit, Pinsel und Gedanken freien Lauf zu lassen, den malerischen Konsequenzen keinen thematischen Maulkorb anzulegen, war ich froh, während der Ausstellungsvorbereitung den lebendigen Ausführungen einer Kollegin folgen zu dürfen. Sie spannte den weiten Bogen zwischen einer Königin in fernem Land und ferner Zeit und dem Pietismus des Bergischen Landes. Jene Würdenträgerin fiel durch Eigenverhalten in Ungnade, wurde von einer Mauer geschmissen und von Hunden verspeist. Hände und Füße blieben übrig. Ich beschloss, diesen Rumpf der Geschichte zu klauen, da ich die Formen von Händen, Hunden und Füßen gerne in meinen Bildern verwende.
Mit größter von mir aufzubringender Entschlossenheit machte ich mich ans Werk. Bald lag die Königin mit verschränkten Gliedmaßen in rotgefärbtem Staub auf meinem Blatt Papier. Hunde kamen, Hunde gingen, und von der Königin blieb kaum etwas übrig. Schließlich traten die Götter ins Bildspielfeld, brachten die Form einer Kirche mit, auf daß der weite Bogen der Kolleginnengeschichte zum Pietismus des Bergischen Landes zu spannen sei. Erbost über meinen Umgang mit ihnen und ihrem Geschenk, und verbittert über ihren verschwundenen Wert in der heutigen Zeit, beschlossen sie dem Bergischen Land den Rücken zu kehren. Aus den Bildern habe ich die Götter nicht mehr heraus- gelassen – selbstredend aus rein formalen Gründen.
Lieber Herr Brindl Art
Die folgend geäußerten Aussagen beziehen sich auf einen mir mittlerweile völlig unbekannten Text. Ich danke nach all den Jahren dem Verfasser, daß er offenbar in der Lage war, mich zum Widerspruch zu reizen. Des Weiteren lehne ich jegliche Verantwortung bezüglich des Textinhalts, unter Berufung auf hoffentliche Verjährung, ab. (Anmerkung vom 24.02.2017)
Heute las ich bei meinem guten Freund Michael Hoffmann den von Ihnen am 05.09.2001 formulierten Aufruf auf Ihrer Webseite. Bezogen auf Ihre seismographischen Fähigkeiten darf ich folgendes anmerken :
Der gute Künstler entscheidet immer werkimmanent und gehorcht nicht dem Anlass ! Der gute Künstler ist kein Diener sondern nur der Qualität seiner Tätigkeit verpflichtet. Die Kunst ansich ist, so sie gut ist, ein geheimnisvolles Ding. Damit wird sie unberechenbar, untauglich als Mittel der Warnung oder Mahnung. Kunst bezieht sich auf sich selber. Alles was ihr ansonsten zugemutet wird, sind Draufgaben. Das simulantische Verfahren solcher Art von Kunst birgt Unglaubwürdigkeit. Material und Bemühung versperren den Weg zu einer wirkungsvoll verdichteten Parallelwirklichkeit. Noch nach Ponal riechende Betroffenheitsräume oder assoziationsgeladene Trauermalerei banalisieren kontraproduktiv den Anlass und sind höchstens rührender Ausdruck eines Missverständnisses. Also alles nur Dekoware. Kaum etwas dürfte kränkender für den Künstler sein, man sagte ihm nach, er habe sich bemüht. Sicher gibt es auch geglückte Beispiele. Doch sie haben gemeinsam, daß sich die Künstler in ihrer ästhetischen Entscheidung nie zum Vasallen des Motivs herabwürdigen ließen. Nicht das Was, sondern das Wie hinterlässt die Spur. Betrachterisch ist somit Guernica nicht anders zu behandeln wie ein Stilleben mit Maiglöckchen.
Betroffen machen können diese Beispiele also allenfalls durch ihre betörende Machart. Konsequenterweise ist das unschöpferisch Wirkliche am erschütterndsten. Gerade einmal das abbildhaft journalistische Photo oder der dokumentarische Film bieten Einsichten in die vielen Wirklichkeiten der großen menschlichen Tragödie. Wenn sie gut sind, dann dienen sie. Der Künstler hat ausschließlich seinen ästhetischen Maßstäben zu folgen – drum Schuster, bleib bei deinen Leisten, Maler, komm zum Pinsel zurück !
Was natürlich nicht zwangsläufig bedeuten muss, daß er seine Grundrechte der Meinungsfreiheit aufzugeben hat. Nein, lärmen und wüten soll er dürfen, Menschen um sich scharen und mit begeisterndem Redeschwall seinen vielleicht noch farbverschmierten (Rot ?) Zeigefinger in die gesellschaftlichen Wunden legen. Nur an diesem Punkt unterscheidet sich der Künstler nicht von den Förstern oder Floristen. Vielleicht ist es ja das generationsübergreifend gehegte Unterdrückungsgefühl einer Gesellschaft gegenüber, die nicht sonderlich viel Wert darauf legt, die Künstler nach ihrer Meinung zu befragen, daß einige in Allmachtsphantasien flüchten und glauben, gerade sie seien auserkoren, „von Natur aus“ besser als gar der Steuerfachberater und die Altenheimleiterin, gesellschaftliche Missstände aufzudecken. Sie können ja mal darüber nachdenken. Abschließend möchte ich sie bitten, bei weiteren Typisierungen von künstlerischen Aufgaben den Nachsatz beizufügen (von mir aus in Klammern), „Matthias Günzel glaubt nicht daran “.
Immerhin, mit ihren Anregungen und Bewegungen tut sich was beim BBK ( gemeint wie es da steht ).
Die Kunst darf alles, aber nur wenn sie kann. Mit freundlichem Gruß, Matthias Günzel
Weitere Worte : Arbeitsverständnis – Ein Interview